Umstrukturierung und Turnaround in Österreich: Experten-Einblicke

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Unter CE InterimWir wissen, dass ein erfolgreicher Turnaround von fundiertem lokalem Fachwissen abhängt. Als Teil der Valtus-Allianz arbeiten wir regelmäßig mit führenden Restrukturierungsunternehmen in ganz Europa zusammen, um Erkenntnisse aus ihren Rechtsordnungen auszutauschen.

In diesem Interview, Maurizio Ria, geschäftsführender Partner bei Duke & Kay in Mailand, spricht mit Christian KniescheckPartner bei Management Factory in Wien, um die einzigartige Dynamik von Umstrukturierungen und Turnarounds in Österreich zu erläutern - von den rechtlichen Rahmenbedingungen bis hin zu informellen Vereinbarungen, die die Umsetzung in der Praxis bestimmen.

⚖️ Sind gerichtliche oder außergerichtliche Umstrukturierungen in Österreich häufiger?

Christlich:

In Österreich ist die bevorzugte Route eindeutig außergerichtliche Umstrukturierung (außergerichtliche Sanierung). Dabei handelt es sich um vertrauliche, vertragliche Vereinbarungen zwischen Gläubigern, die nicht auf strengen rechtlichen Verfahren, sondern auf bewährten Geschäftspraktiken und Vertrauen zwischen den Beteiligten beruhen.

Wenn dieser konsensbasierte Ansatz scheitert, bietet das österreichische Recht drei gerichtlich überwachte Sanierungsverfahren:

1. Sanierungsverfahren ohne Eigenverwaltung - für insolvente Unternehmen, die innerhalb von zwei Jahren mindestens 20% an ungesicherte Gläubiger zurückzahlen.

2. Sanierungsverfahren mit Eigenverwaltung - eine "debtor-in-possession"-Option, die eine 30%-Rückzahlung innerhalb von zwei Jahren erfordert.

3. Restrukturierungsverfahren - a präventiver Umstrukturierungsrahmen für insolvenzgefährdete Unternehmen und ermöglicht mehrheitliche Umschuldung über klassenübergreifende Cramdowns.

Diese sind in der Insolvenzordnung (InsO) und der Restrukturierungsverordnung (ReO) geregelt.

📘 Sie haben erwähnt, dass außergerichtliche Umstrukturierungen "etablierten Praktiken" folgen. Was genau ist damit gemeint?

Christlich:

Das österreichische Ökosystem für Umstrukturierungen basiert auf gegenseitiges Verständnis. Für die meisten außergerichtlichen Verfahren gelten zwei weithin akzeptierte Leitlinien, auch wenn sie informell sind:

1. Leitlinien für die Fortbestehensprognose (Going Concern) - die von Kammern und Forschungseinrichtungen für KMU veröffentlicht werden.

2. Grundsätze für Restrukturierungen in Österreich (Grundsätze für Restrukturierungen) - eine Best-Practice-Vereinbarung zwischen führenden Banken und Anwaltskanzleien.

Die Prognose der Unternehmensfortführung ist der Mindeststandard für jede Umstrukturierungsplaneine Analyse der Krisenursachen, eine Bewertung der Markt- und Wettbewerbslandschaft, eine vollständige GuV- und Liquiditätsprognose sowie ein integrierter Finanzplan - monatlich für 12 Monate, dann jährlich für zwei Jahre.

Die Grundsätze für die Restrukturierung bieten einen Rahmen für Stillhaltevereinbarungen zwischen Gläubigern - ein "Gentlemen's Agreement" zwischen Banken, auf die Vollstreckung von Krediten zu verzichten, während ein Sanierungsplan entwickelt wird.

Diese gemeinsamen Normen fördern die Angleichung zwischen Banken, Berater, Interimsmanager und Rechtsanwälte - die Chancen für eine erfolgreiche Rettung zu erhöhen.

Was ist der häufigste Fehler, den Unternehmen bei Liquiditätsengpässen machen?

Christlich:

Hoffnung und Leugnung. Das Management wartet oft zu lange und hofft, dass der Sturm vorübergeht. Wenn sie dann handeln, sind die Möglichkeiten begrenzt und der Schaden wird noch größer.

Jede Verzögerung erhöht Kreditorenrisiko, Kostenund Stakeholder-Spannung.

👷‍♂️ Wie sind die Arbeitnehmer in Insolvenzszenarien geschützt?

Christlich:

Österreich bietet einen hervorragenden Schutz für Arbeitnehmer. Die Insolvenz-Entgelt-Fonds (IEF) stellt sicher, dass alle ausstehenden Gehälter, Boni, Überstunden, Urlaubstage, Abfindungen und Entschädigungen gezahlt werden - in der Regel innerhalb weniger Wochen.

Diese staatlich geförderte Maßnahme macht die Arbeitnehmer zu den sichersten Stakeholdern während einer Insolvenz und erhält das Vertrauen während der Sanierungsbemühungen.

💼 Wie sichern sich Sanierungsberater und Interimsmanager ihr Honorar in Insolvenzfällen?

Christlich:

Unerfahrene Berater enden oft als ungesicherte Gläubiger - sie erhalten nur einen einen Teil ihrer Gebührenmanchmal sogar bis zu 20%.

Erfahrene Profis nutzen Österreichs Zug-um-Zug-Prinzip - Leistung gegen Zahlung - um nicht dem Rückforderungsrisiko ausgesetzt zu sein. In der Praxis bedeutet dies:

  • Vorauszahlungsmodelle
  • Kurze Abrechnungszyklen (zweiwöchentliche Rechnungsstellung)

Diese Struktur gewährleistet, dass Sanierungsexperten sicher zu den Rettungsmaßnahmen beitragen ohne zukünftige rechtliche Risiken.

🏍️ Können Sie einen aktuellen Umstrukturierungsfall aus Österreich schildern?

Christlich:

Wir beraten KTM AG während ihrer Umstrukturierung 2024-2025. Unser Team, geleitet von Christopher Klena und Gerhard WüestEr arbeitete eng mit dem gerichtlich bestellten Verwalter zusammen, um das Ziel zu erreichen:

  • Validierung der vorgeschlagenen Sanierungsplanquote
  • Vollständig Analyse der Unternehmensfortführung
  • Bewertung von Haftungs- und Anfechtungsansprüchen
  • Unterstützung für strategische Veräusserungen (z.B.. MV Agusta und X-Bow)
  • Koordinierung mit Banken und Gläubigern

Letztlich erhielten die Gläubiger eine 30% Quote - 525 Millionen Euro - mit einem erheblichen Beitrag von Bajajder nun Mehrheitsaktionär ist.

🧠 Wo haben Sie persönlich die Kunst der Umstrukturierung gelernt?

Christlich:

Von Dr. Erhard F. GrossniggÖsterreichs renommiertester Turnaround-Experte. Seine Philosophie:

"Beginnen Sie mit der Bilanz - nicht mit der Gewinn- und Verlustrechnung."

Während sich viele Manager auf Kostensenkungen oder Personalabbau konzentrieren, beginnt eine echte Umstrukturierung mit der Entwicklung eines neuen wertorientierte Bilanz - Wiederherstellung der Glaubwürdigkeit, der Zahlungsfähigkeit und einer Wachstumsplattform.

👥 Wie gut arbeiten die Beteiligten bei gerichtlich beaufsichtigten Verfahren in Österreich zusammen?

Christlich:

Österreich genießt einen hochfunktionale Umstrukturierungskultur. Die Zusammenarbeit zwischen den Gläubigern, rasche Rechtsmechanismen und eine engmaschige Beratungsgemeinschaft tragen dazu bei.

Die ReTurn Verein spielt eine große Rolle, denn sie bringt regelmäßig Banken, Anwälte und Berater zusammen, um sich über Fallstudien, aktuelle Rechtsfragen und bewährte Verfahren auszutauschen.

Diese gemeinsame Sprache verbessert die Effizienz und Fairness der formalen Verfahren.

📊 Was macht Ihrer Meinung nach einen fairen und nachhaltigen Umstrukturierungsplan aus?

Christlich:

Eine faire Lösung erfordert den Beitrag aller Beteiligten - einschließlich der Eigentümer, Banken, Gläubiger, Mitarbeiter und Kunden.

Ein nachhaltiger Plan muss Abweichungen von der Realität zulassen: Nicht alles wird wie erwartet verlaufen, und neue Chancen müssen genutzt werden können, ohne die Struktur zu zerstören.

🏦 Welche Rolle spielt Private Equity bei der Umstrukturierung Österreichs?

Christlich:

Banken bleiben die dominierenden Akteure, insbesondere bei der Umstrukturierung von KMU. Institute wie Raiffeisen, Erste, UniCredit und Regionalbanken (BKS, BTV) führen in der Regel den Prozess an.

Privates Beteiligungskapital spielt eine begrenzte, aber wachsende Rolle, oft über deutsche Spezialfonds wie Aurelius, Quantum Capital und Orlando.

In Österreich gibt es keine heimischen PE-Fonds, die sich ausschließlich auf Turnaround konzentrieren.

💶 Unterstützt die österreichische Regierung notleidende Unternehmen?

Christlich:

Ja - aber es ist komplex.

Diese Programme können Teil einer größeren Lösung sein - erfordern aber Bankenbeteiligung, a glaubwürdiger Umstrukturierungsplanund eine förmliche Fortführungsprognose.

✅ Summary: Austria’s Turnaround Culture

Österreichs Umstrukturierungslandschaft vereint:

  • Strukturierte rechtliche Rahmenbedingungen
  • Vertrauenswürdige informelle Leitlinien
  • Zusammenarbeit der Interessengruppen
  • Starker Arbeitnehmerschutz

Unabhängig davon, ob es sich um eine Bank, einen Berater oder ein Unternehmen handelt, das sich in einer Krise befindet, ist das Verständnis dieser Dynamik entscheidend für die Entwicklung wirksamer Sanierungspläne.

Wenn Sie eine komplexe Umstrukturierung durchführen oder eine gläubigergeführte Sanierung planen, setzen wir innerhalb von 72 Stunden erfahrene CROs und Restrukturierungsleiter ein.

Erfahren Sie mehr über unser Krise und Umstrukturierung Interimsführung und wie wir die Ausführung unterstützen, wenn das Timing entscheidend ist.

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